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Die Söhne Mannheims und Xavier Naidoo im Interview – Teil IV

Normalerweise ist es ja eher so, dass es erst eine Band gibt und sich dann daraus einer hervortut, der dann eine Solokarriere startet. Bei dir scheint das anders zu sein, Xavier?
Xavier:

"Es war schon so, dass meine Solokarriere nach der Gründung der Söhne Mannheims begonnen hatte. Wenn wir mit den Söhnen ehrgeiziger gewesen wären und einen Manager gehabt hätten, vielleicht wäre alles anders gelaufen. Im Nachhinein muss ich sagen, mit all den Höhen und Tiefen, war es genau richtig. Wir haben viel dadurch lernen können, viele Extreme durchlebt, die uns jetzt einen großen Erfahrungsschatz geben."

Henning: 
"Ich habe das ja auch teilweise – sagen wir mal – als Fan miterlebt. Für mich waren die Söhne Mannheims immer was ganz außergewöhnliches in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa, weil es einfach um eine Zusammengehörigkeit geht. Es geht um gelebte Toleranz, nicht dass es bei Xavier Solo anders wäre. Aber das Gefühl, was da rüber kommt, mit dem konnte ich mich immer ganz anders identifizieren, als mit deinen Solosachen. Ohne Frage gehört das mit zu dem Besten, was Deutschland je hervorgebracht hat. Aber bei den Söhnen Mannheims kam immer noch ein Touch dazu, was etwas Familiäres, Offenes und Multikulturelles hatte. Das finde ich großartig. "

Was war das für ein Gefühl, im Zuschauerraum zu sein und zu spielen und nicht auf der Bühne zu stehen?
Michael: 
"Die Idee ist nicht unbedingt neu. Aber zum Spielen war es toll. Zum Angucken – ich musste ja eigentlich mehr Zeit im Ü-Wagen verbringen, als auf der Bühne – war es sensationell. Als ich das zum ersten Mal so gesehen habe, war ich schon schwer beeindruckt."

Ralf:  
"Ich fand es auch super, da man das Publikum und gleichzeitig auch die Musiker sieht, das ist natürlich schon ein Unterschied zu einem normalen Konzert. Man sitzt praktisch im Publikum und das ist im Prinzip das Schönste, was man sich als Musiker vorstellen kann."

Haben euch der Schmuck, Stuck, Kronleuchter und all das nicht beeindruckt?
Henning: 
"Wenn man auf dieses Gelände kommt, bei schönem Wetter, diese Alleen, diese Gebäude sieht… unfassbar, das so etwas noch erhalten geblieben und in so gutem Zustand ist. Ich musste an den Film ‚Amadeus‘ denken, wo man häufiger gesehen hat, wie er mit seiner Schwester vor Königen und Königinnen gespielt hat, was wahrscheinlich vergleichbare Szenarien gewesen sein müssen. Man hat bei diesen Hollywoodfilmen immer das Gefühl, das ist riesengroß. Und auch in der Inszenierung, wie wir es jetzt bei MTV-Unplugged sehen, sieht es auch durch das Licht und durch die Inszenierung unglaublich groß aus. Aber in der Realität ist es erschreckend klein, muss man ganz ehrlich sagen. Das ist erstaunlich. Mit dem ganzen Stuck und den Verzierungen, hat man schon so ein bisschen das Gefühl gehabt, in einer Postkarte zu sitzen."

Wie hat das Venue denn für euch geklungen?
Ralf:
 
"Wir haben fast alle mit In-Ear-Monitoring gespielt. Wir haben alle versucht, leise zu spielen, weil es einfach besser ist für die Location und für die Musik. Es hat natürlich auch immer variiert, je nachdem, ob jetzt viele akustische Instrumente gespielt haben, wie zum Beispiel die Harfe. Im Großen und Ganzen konnten wir dort gut spielen und die Nachbearbeitung, die muss halt sein."

Ist euch denn definitiv was kaputt gegangen während der Aufzeichnung?
Ralf:

"Es ist immer wieder interessant, was dann doch alles passieren kann. Es ist so, man spielt diesen Gig und kriegt dann später gesagt, was alles passiert ist und man hat davon überhaupt nichts mitbekommt."

Xavier, du warst ja nun die Person, die am längsten auf der Bühne sein musste. Hast du dich irgendwie auf besondere Art und Weise vorbereitet?
Xavier:
 
"Ich habe die Pobacken trainiert. Bei den Proben hatte ich schon gemerkt, dass es echt unangenehm ist solange auf diesem Stuhl zu sitzen. Für eine Stunde ist das mit Sicherheit gut so einen Hocker zu haben, aber irgendwann wird es eben hart. Nach den Probeläufen und am zweiten Tag, haben schon gewisse Partien geschmerzt. Aber ansonsten, war ich auf alles gut vorbereitet. 

Ralf:
"Also für mich war es so, dass ich erst hinterher gemerkt habe, wie anstrengend das war. Die fünf Stunden gingen vorbei und danach konnte ich eigentlich gar nichts mehr denken. Mein Hirn war so durchweicht, das ich nur noch ins Bett oder Fernsehen gucken wollte. "

Vom Durchhaltevermögen ganz anderer Art kann der Michael sicher noch besser berichten…
Michael:
 
"Es ist erstaunlich, was man alles so aushalten kann. Ich will jetzt auch nicht auf die Mitleidstränendrüse drücken, aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich mach das ja nun auch schon seit zehn Jahren, das war jetzt – Hardcore. Ich weiß nicht, wie viele Alben ich produziert habe und es war immer ganz schön am Rande des Wahnsinns. Aber diesen „Rand" haben wir hierbei schon weit hinter uns gelassen. Die Proben an sich waren schon sehr intensiv, sehr arbeitsreich und auch zermürbend. Da man nicht nur mit viel Konzentration bei der Sache sein musste, sondern auch immer versuchte, objektiv einzuschätzen: Wo stehen wir? Was haben wir? Was brauchen wir noch?"

Ralf:  
"Es kommt dazu, dass die Songs alle bekannt sind, bis auf sechs neue. Im Prinzip also alles altes Material im neuen Kleid. Diese neu zu produzieren ist schon schwieriger. "

Wieviel neue Songs sind es denn nun im Einzelnen?
Michael:

" ‚Lieder drüber singen‘, ‚Das hat die Welt noch nicht gesehen‘, die zwei neuen Söhne Mannheims Songs, die wir zwar schon auf der Tour gespielt haben, aber die noch nicht auf einem Tonträger veröffentlicht sind. Dann die MTV-typischen Covers von beiden Bands, ‚Ich wollte wie Orpheus singen‘ und ‚Woman in chains‘ und dann noch ‚Für dich öffnen sie die Tore‘ und Wann" zwei neue, unveröffentlichte Tracks von Xavier."

Wann habt ihr denn Reinhard Mey für euch als Coverversion entdeckt?
Xavier:
 
"Reinhard Mey für uns zu entdecken ist gar nicht so neu, da wir auch schon mal den Song „Über den Wolken" für ein Tribute-Album gecovert haben. Ich hatte mir überlegt, dass es sehr schön wäre, wenn wir noch mal einen Titel von ihm nehmen. Er ist jemand, der mit der deutschen Sprache vorausgegangen ist, der sehr innovativ ist und auf den wir uns alle einigen konnten. "

Henning: 
"Ich kenne Reinhard Mey in erster Linie aus dem Plattenschrank meiner Mutter und meines Bruders. Während der Auseinandersetzungen in den Proben, habe ich mir dann nochmals die Biografie durchgelesen – die aktuellste – und wieder mal festgestellt, dass er eigentlich so ein stiller, freundlicher Revoluzzer ist, der unglaublich viele Parallelen schlägt zu dem, was ich mit den Söhnen Mannheims erlebe. Und auch jemand ist, der von den Leuten, die ihn nicht wirklich kennen, extrem unterschätzt wird. Weil man ihn immer irgendwie nur als grinsenden Oberlehrer, alleine vor 6000 Zuschauern mit seiner Gitarre in der Hand, erlebt. Aber grundsätzlich ist er jemand, der unfassbar viele Mauern runter gebrochen hat, eine ganz, ganz klare Meinung zu vielen verschiedenen Dingen hat und wirklich ein sensationeller Mensch zu sein scheint, so wie es die Biografie darstellt. Und es ist eben auch nicht so eine Autobiografie, sondern es ist ein Interview mit einem seiner langjährigen Freunde, der auch viele kritische Fragen stellt."

Und wie bist du auf Tears for Fears – Woman in chains gekommen?
Xavier: 

"Dieses Lied von Tears for Fears ist zu einer Zeit veröffentlicht worden, als ich mir überlegt habe: ‚Wie kann ich den Beruf ‚Sänger‘ für mich näher definieren? Mir ging es darum, meine Stimme festzuhalten und verschiedene Beats zu machen. Eine Drummachine war mein Handwerkszeug, aber eigentlich habe ich alle Instrumente und Spuren gesungen und mir Aufnahmetechnik erarbeitet. ‚Woman in Chains‘ war der erste Song, den ich komplett nachgesungen und auf diesem Vierspurmischpult aufgenommen habe."

Habt ihr eigentlich die Fernsehtechnik mit all den heißen Scheinwerfern und schwenkenden Kameras usw. die ganze Zeit über bemerkt
Henning: 
"Für mich persönlich war es extrem angenehm, weil die Kameras nicht so wirklich ‚in the face‘ waren. Ich hatte hinterher das Gefühl, dass man die Kameras nicht mehr gesehen hat. Was manchmal so ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist, ist dass man Songs wiederholen muss. Ich persönlich hatte dem Publikum gegenüber immer so eine Bringschuld und mir tat das leid, dass sie sich den Song direkt im Anschluss dann erneut anhören mussten. Witzig war eine Situation als die junge Dame zum Schweiß abtupfen kam – bei den meisten war es Pudern, bei mir war es Schweiß aufsaugen – und nicht merkte, dass der Song noch nicht vorbei war. Das war bei ‚Dein Leben‘. Da gibt es dann so eine Reprise am Ende und die junge Dame kam angelaufen und tupfte mir das Gesicht ab und ich dachte: ‚irgendwas ist hier falsch?‘ und plötzlich geht der Song wieder los [lacht] und sie guckte mich nur mit so riesigen Augen an und ich sagte: ‚Alles ist gut‘."

Ralf:  
"Die Kameras habe ich eigentlich gar nicht gesehen. Für mich war es eher ein intimes Konzert, weil relativ wenig Publikum da war und man hatte das Gefühl, man spielt schon fast in einem kleineren Club. Natürlich war das für mich schon aufregend aber irgendwann, wenn der Song anfängt, dann spielst du einfach. Dann Applaus. Dann kommt der nächste. Und so geht’s einfach weiter."

Und weiter geht es mit dem letzten Teil der Serie. –>


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